Es war einmal im Jahre des Herrn 2006, da schrieb ein junger Mann, der von einer Karriere als Schriftsteller träumte, seinen ersten Roman.
Ein namhafter Verlag hatte zu einem gut dotierten Autorenwettbewerb aufgerufen. In nur drei Monaten schrieb der angehende Autor an seinem Werk und es war für ihn eine Offenbarung. Die Worte flossen ihm nur so aus den Fingern und seine Geschichte wuchs und wuchs. Der Stichtag rückte immer näher und am zweiten Weihnachtsfeiertag hielt er sein über dreihundert Seiten starkes Manuskript in Händen. Nach den ersten positiven Reaktionen seiner Testleser und ein wenig Überarbeitung, befand er seinen Roman für gut gelungen und rechnete bereits mit dem Hauptgewinn. Nach den Feiertagen brachte er sein gut verschnürtes Werk, mit vor Stolz geschwollener Brust zur Post und schickte es auf die Reise. Er wartete und wartete und wartete. Aber er verzweifelte nicht, denn es gab ja genug zu tun. Er war sich ja sicher, dass sein Erstling wie eine Bombe einschlagen würde und für diesen Fall wollte er gewappnet sein. Er räumte also seinen Schreibtisch auf und arbeitete an der Fortsetzung seines Epos. Der Frühling kam und mittlerweile hatte der Jungautor seine Recherchen, die Charakterentwicklung und die Handlungsentwicklung abgeschlossen. Endlich brachte der Briefträger das sehnlichst erwartete Schreiben vom Verlag, allerdings mitsamt dem Manuskript. Jeder angehende Schriftsteller, der bereits seine Erfahrungen mit Verlagen gemacht hat, weiß, dass das nichts Gutes bedeutet. Wut, Trauer und Selbstzweifel wurden für einige Zeit seine Weggefährten. Entmutigt steckte er sein Manuskript und seine neuen Ideen in eine Kiste und versteckte alles vor der Welt, im tiefsten Winkel seiner dunkelsten Schublade. Die Zeit heilt alle Wunden, so sagt man.  Auch der Autor brauchte seine Zeit, bis er sich wieder an den Computer wagte und mit zittrigen Fingern neue Geschichten zu Papier brachte. Er schrieb in dieser Zeit viel. Meist nur für sich und hauptsächlich kurze Geschichten, denn der Mut für Großes fehlte ihm weiterhin. Langsam gewann er an Selbstsicherheit zurück. Er studierte die Arbeitsweisen anderer Schriftsteller und übte weiterhin fleißig, um sich auf sein Comeback vorzubereiten. Manchmal holte er sogar das alte Manuskript aus seinem Karton und las es mit einem lachenden Auge und einem weinenden Auge. Mittlerweile war ihm bewusst, warum sein Erstling damals der strengen Prüfung des Verlages nicht standgehalten hatte, trotzdem mochte er die Geschichte und ihre Charaktere immer noch. Im Laufe der Jahre arbeitete er immer wieder mal an dem Manuskript und entwickelte die Geschichte weiter. Sie begleitete ihn, wie ein guter Freund. Während sich sein Leben und die Welt um ihn herum veränderten, blieb die Geschichte stets bei ihm; und sie wuchs und wurde komplexer, bis sie dem angehenden Schriftsteller zu groß wurde. Er legte sie sorgfältig in den Karton und stellte sie an ihren Platz zurück. Diesmal nicht, um sie zu vergessen, sondern damit sie in Ruhe reifen konnte, – bis heute.
Heute habe ich sie aus ihrer Schachtel befreit und sie schmeckt wunderbar. Es duftet überall nach einem Neustart und ich bin sehr gespannt, was in den vergangenen Jahren aus der Geschichte erwachsen ist.